"Kyudo - Der Weg des Bogens" oder "Zen im Stehen"
Kyudo - wörtlich "der Weg des Bogens" - ist die Älteste der Traditionellen Martial Arts (Kriegskünste) Japans und am engsten verbunden mit dem klassischen Begriff "bushido" - "dem Weg des Kriegers". Historisch gesehen entwickelte sich das Kyudo aus der klassischen, im Kampf eingesetzten Bogenschiesstechnik, die die Samurai, die japanische Kriegerkaste, durch Einfluss der aus China stammenden Zen-Philosophie zur "Kunst des Bogenschiessens" verfeinerten. So entstand eine eher introvertierte Übungsform ohne grosse spektakuläre äussere Aktion, die nicht mehr der kriegerischen Konfrontation dienen soll, sondern dem Übenden eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit sich selbst gestattet - in Japan wird Kyudo als geistiges Training bezeichnet, dessen Ziel die Entwicklung der Persönlichkeit ist. In den Künsten des Fernen Ostens wird die Möglichkeit geistiger Übung und Entwicklung durch die Übung des Körpers, durch Bewegung seit Jahrhunderten als selbstverständlich angesehen. So schult Kyudo einerseits Konzentrationskraft und Gelassenheit und erfordert vom Schützen in jedem Moment äusserste Aufmerksamkeit und Hingabe, andererseits schärft es Körperwahrnehmung und Körpergefühl und wirkt sich positiv auf Körperhaltung, Balance und Bewegungskoordination aus. |
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Um Kyudo betreiben zu können, muss man nicht sportlich durchtrainiert sein, da nicht die eingesetzte Muskelkraft entscheidend ist, sondern die sensible Bewegungskoordination die wahre Herausforderung darstellt. Kyudo unterscheidet sich fundamental von westlichem Sport: das Trefferergebnis ist nicht das entscheidende Kriterium für die Qualität der Technik oder für die Reife des Schützen. Im Kyudo ist der Treffer wertlos, wenn die Technik nicht richtig ist, d.h. wenn nicht Bewegungsablauf und Haltung des Schützen der vorgeschriebenen Form entsprechen. Aber auch die innere Haltung des Schützen wird bei jedem Schuss aufs neue einer Überprüfung unterzogen: ohne wirkliche Hingabe, totale Konzentration und den Verzicht auf Prätention bleibt selbst eine hohe Trefferquote ohne Wert. "Jeder Schuss ein Leben!" lautet der berühmte Ausspruch eines Kyudo-Meisters, der diesen Anspruch an den Übenden illustrieren soll. Der japanische Bogen - "yumi" - sucht weltweit seinesgleichen. Er ist einzigartig in vielfachem Sinn: er ist aussergewöhnlich lang - über zwei Meter - und asymmetrisch - der Griff befindet sich im unteren Teil des Bogens, was dem Bogen in ausgezogenem Zustand eine besonders elegante Form verleiht. Und er wird heute noch aus denselben einfachen Materialien hergestellt - nämlich Bambus und Holz - wie vor vierhundert Jahren.
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Der Yumi verkörpert perfekt die Essenz der japanischne Kultur: er ist einfach und elegant und tief verwurzelt in der Tradition. Dem Kyudoanfänger wird empfohlen, einen preislich günstigeren und pflegeleichteren Glasfiberbogen zu benützen. Zur weiteren Ausrüstung eines Bogenschützens gehören in erster Linie noch die Pfeile aus Bambus (traditionell) oder Aluminium und ein Lederhandschuh mit verstärktem Daumen zum Schutz der rechten Hand, die die Sehne zieht. Die traditionelle Übungskleidung besteht aus einem langen schwarzen Hosenrock ("hakama"), einem weissen kurzärmligen Hemd, einem breiten Gürtel und weissen Socken. Heute existieren vor allem zwei Techniken, in denen Kyudo gelehrt wird: das ist zum einen die in Japan am meisten verbreitete Form des Kyudo mit zentralem Heben des Bogens (Shomen-Stil) und zum anderen der der alten kriegerischen Technik des Bogenschiessens näherstehende Heki-Stil mit seitlichem Heben. |
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